Im Rausch der Macht // Band 1

Vom Imperialismus zum Ersten Weltkrieg

Autor: Franz Watzl

Erschienen am: 10. December 2013

Inhalt:

  • Imperialismus - Segen oder Fluch?
  • Der Wettlauf um Afrika
  • Der Imperialismus in Asien, Australien und im pazifischen Raum
  • Der Weg in den Krieg
  • Der Erste Weltkrieg

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ist die Welt in den Augen der meisten Europäer noch in Ordnung. Unwiderstehlich scheint die Dominanz der europäischen Großmächte zu sein, die "farbigen" Völker der Welt haben sich selbstverständlich unterzuordnen. Der deutsche Kolonialbeamte Paul Rohrbach drückt den Zeitgeist in seinem Buch "Deutsche Kolonialwirtschaft" wie folgt aus: "Die Idee, dass die Bantus, die Sudan-Neger und die Hottentotten in Afrika ein Recht darauf hätten, nach ihrer eigenen Facon zu leben und zu sterben, selbst wenn darüber unzählige Existenzen bei den Kulturvölkern in einem proletarischen Kümmerdasein stecken bleiben, diese Idee ist absurd!"   Viel komprimierter lässt sich der psychologische Hintergrund des angeblichen Rechts der europäischen Herrschaft über Nichteuropäer kaum darstellen. Farbige haben kein Recht auf ein politisch und wirtschaftlich selbst bestimmtes Dasein. Ihre Bedürfnisse sind selbstverständlich denen der Weißen untergeordnet, andere Vorstellungen hält der deutsche Beamte für "absurd". Der Herrschaftsanspruch der Europäer erwächst aus wirtschaftlichen Nöten und Zwängen. In wenigen Zeilen erfährt man, dass ohne Kolonien ein "proletarisches Kümmerdasein" für die "Kulturvölker" zu erwarten ist. Die "Kultur" ist es, die Farbige den Weißen unterlegen macht - Farbige haben offenbar keine.   Das Phänomen Imperialismus ist erstaunlich und erschreckend. Innerhalb von drei Jahrzehnten wird die "Alte Welt" in einem fieberhaft anmutenden Rennen zwischen den europäischen Mächten aufgeteilt. Bedenkt man, dass die "Neue Welt" bereits in einem ersten Anlauf ab dem 16. Jahrhundert europäisiert worden ist, steht man um 1900 tatsächlich vor einem europäisch beherrschten Planeten. Ganz gering an Ausdehnung sind die unabhängig gebliebenen Territorien, wobei die meisten wirtschaftlich von den Kolonialmächten in Abhängigkeit gehalten werden. Lediglich Japan hat es geschafft, souverän zu bleiben und ist selbst dabei, eine große Kolonialmacht zu werden.   Die explosionsartige Ausdehnung Europas trägt allerdings den Keim des Untergangs in sich. Trotz einiger Anläufe gelingt es nicht, die tiefen Zerwürfnisse, die zwischen den imperialistischen Mächten zwangsläufig entstehen, zu entschärfen. In einer Art Angstneurose schließt man Bündnisse und beginnt zu rüsten. Schreckliche politische Fehler sind es, die Europa in den Abgrund treiben.   Es ist ein seltsam bedenkenloses, ein naives, vielleicht auch ein wirklich dummes Verhalten, das den Ausbruch des Ersten Weltkriegs begleitet. In einem heute unfassbaren und nicht mehr nachvollziehbaren Freudentaumel bricht die Jugend Europas ins Feld auf, das sich als wahre Schlachtbank erweisen sollte. Kaum jemand schien zu ahnen, was die moderne Kriegstechnologie an Schrecken zu bieten hatte.   Warum der Krieg letztendlich ausbrach, wusste von den Zeitgenossen niemand. Von den Politikern, von den Herrschern und vom Klerus war nur Friedensliebe signalisiert worden. Schuld hatten die "anderen", schuldig waren jene, die offenbar jahrelang für einen Angriffskrieg gerüstet hatten. Man selbst habe sich nur für eine Verteidigung, für eine Defensive vorbereiten müssen. Jetzt endlich fielen die Würfel. Jetzt zeigte der Feind sein wahres Gesicht!   Das Gefühl, in einer Nation geborgen, für eine gerechte Sache gemeinsam gegen das Böse marschieren zu können, löste einen wahren Sturm altruistischer Gefühle aus. Eine wehmütig-kitschige Stimmung der Opferbereitschaft, in Jahrzehnten "patriotischer" Erziehung schon in der Volksschule verbreitet, erfasst nun die Menschen und nährt die Kriegsbegeisterung. Der Zauber der Montur tut ein Übriges. Nach einem kurzen Feldzug wird man ordensbekränzt, als strahlender Sieger und Held, die Herzen der Mädchen im Sturm erobern! Jahre wird es dauern, bis sich das Wissen über die brutale Wirklichkeit des Krieges durchsetzen wird. Den Berichten und Briefen der Soldaten steht eine Propaganda gegenüber, die sehr wirkungsvoll ist.   Dass der Krieg auch ein Krieg gegen Zivilisten ist, wird bis heute in historischen Darstellungen in Deutschland und Österreich kaum publiziert. Vor allem der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn geht massiv gegen Nichtkombattanten im Osten und Südosten Europas vor. Zehntausende fallen einem Unterdrückungsapparat zum Opfer, der offenkundig von nationalistischen Motiven geprägt ist. Zu diesen Kriegsverbrechen reiht sich ein Völkermord, der auf Anordnung der osmanischen Regierung an den Armeniern verübt wird. Über eine; Million Menschen fallen diesem Genozid zum Opfer, der von der türkischen Regierung bis heute geleugnet wird.Der "Krieg der Urgroßväter" der heutigen Jugend nimmt viele Wesenszüge des zweiten großen Krieges, des "Kriegs der Großväter vorweg". Er ist nur langsamer. Der Stellungskrieg lässt die Fronten erstarren, bis der Tank, wie der Panzer des Ersten Weltkriegs genannt wird, neben der Hungerblockade das Schicksal der Mittelmächte besiegelt.   Es gelingt nicht, dem millionenfachen Tod einen gerechten und damit dauerhaften Frieden folgen zu lassen. Kritisch denkende Zeitgenossen sehen das Verhängnis eines zweiten großen Krieges heraufziehen. Sie Irrten leider nicht.


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